Autoren erzählen Geschichten. Meistens mit geschriebenen Wörtern, deren Anordnung im besten Fall Spannung, Empathie mit den Figuren und das Eintauchen des Lesers ins Geschehen vermitteln. Mein aktuelles Projekt enthält zwar auch eine Menge Wörter, doch hier führen Gemälde, Fotos, Landkarten, Handschriften und Objekte durch das Geschehen. Als Kurator habe ich im Auftrag der Stadt Offenbach eine Ausstellung zum 250. Geburtstag des wichtigsten und zentralen Platzes meiner Heimatstadt erarbeitet. Der Titel: „250 Jahre Aliceplatz – Fürstenresidenz, Fabrikplatz, Fußgängerzone“.
Ein knappes Jahr habe ich recherchiert, ein Konzept erdacht, es modifiziert, mit Leihgebern gesprochen, wieder verändert und die vielen Puzzleteile schließlich in einer Form zusammengefügt. Zu sehen ist sie im Offenbacher Kunstverein, dessen Räume im zentralen Einkaufszentrum KOMM liegen – wie passend, direkt am Aliceplatz. Und so haben die Grafikdesignerin Petra Baumgardt – die für die spannungsreiche Gestaltung verantwortlich ist – und ich einen Kontrast zwischen der Welt der Kultur und der täglich gereinigten Shoppingwelt des KOMM setzen wollen: 250 Jahre Stadtgeschichte zwischen rohen Betonwänden, Estrichboden und Versorgungsleitungen an der Decke. Das erzählt von Veränderung, Improvisation und Bewegung, die den Platz 250 Jahre lang geprägt haben. Nichts hatte Bestand. Das Neue wurde altmodisch, bis das Neue altmodisch wurde.
Längst vergessen ist etwa die Portefeuille-Fabrik Jacob Mönch, die direkt am Platz lag und ihn über Jahrzehnte geprägt hat – als Fabrikplatz. Doch Mönch gilt heute als der Begründer des international hoch renommierten Rufes der Lederstadt Offenbach. Seine Arbeiten waren etwa in Paris, London, New York und Wien in höchsten Kreisen begehrt. Das DLM Deutsches Ledermuseum hat in seinem Depot einige für die Zeit sehr charakteristische Stücke recherchiert, die noch nie zu sehen waren – und wir sie nun erstmals dem Publikum zeigen dürfen.
Das Frankfurter Museum für Kommunikation hat uns dazu aus seinem beeindruckenden Depot mit mehr als 500.000 Objekten das erste Telefon Offenbachs zur Verfügung gestellt. Als sehr besondere Leihgabe überließen uns die Fachleute die erste Telefonvermittlung, ein Klappenschrank des Jahres 1881. Von ihm existieren weltweit nur noch drei Exemplare. Es war die Pionierzeit, als 1884 am Aliceplatz das Kaiserliche Postamt eröffnet wurde. Das Telefon hatte damals noch keine Bedeutung. Es gab zur Eröffnung lediglich 19 Teilnehmer, das Telephonzimmer im Postamt lag abseits im ersten Stock neben Küche und Abstellräumen. Wie sich die Zeiten ändern. Das kann man am Beispiel dieses zentralen Platzes vom 30.7. bis zum 30.8.2018 anschauen. Ich erzähle hier eine Story, aber mit anderen Mitteln und Techniken. Eine gute Story bleibt einfach eine gute Story.