In der Jury der Eckenroth-Stiftung

Da lag der hohe Stapel Manuskripte vor mir. 228 Texte voll mit interessanten Gedanken, überraschenden Wendungen und ungewohnten Blickwinkeln. Lesen. Einordnen. Sich einlassen auf Ungewohntes. Nichts übersehen. Bewerten. Das ist die Verantwortung des Jurors. Eine anspruchsvolle Arbeit.

Die Manuskripteinsendungen für den Wettbewerb der Eckenroth-Stiftung

Die Manuskripteinsendungen für den Wettbewerb der Eckenroth-Stiftung.

Seit einigen Jahren gehöre ich zur Jury der Eckenroth-Stiftung, die seit 1998 den Wettbewerb „Grüner Lorbeer“ für Nachwuchs-Autoren organisiert. Die Stiftung wurde 1993 von der Theatermacherin Madeleine Lienhard gegründet, intensiv unterstützt vom Theaterintendanten und Grimme-Preisträger Klaus Wagner. Dabei schreiben 10- bis 14-jährige Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland eine Geschichte zu einem vorgegebenen, aber offenen Thema. Es lautete: „Die Anschläge von Paris – ich erfahre davon“. Die Jugendlichen können frei entscheiden, wer von den Anschlägen auf welche Weise erfährt, was sie ausdrücken wollen – und wie. Eingeladen waren „Schülerinnen und Schüler, die Lust auf Intelligenz haben, das Nachdenken lieben, die Anstrengung des Schreibens nicht scheuen und Mut besitzen, sich zu erinnern“. Ein hoher Anspruch.

Umso überraschter war ich diesmal von der Qualität und Originalität der 228 Texte, von der Dichte des Erzählens, den neuen Perspektiven auf das Geschehene und den Botschaften, die sie vermitteln. Die Arbeit in der Jury ist daher für mich etwas Besonderes: Kein Jahr ohne Staunen und Überraschung, ohne gespanntes Lesen, anrührende Begebenheiten und tolle Formulierungen. Es heisst, die Jugendlichen würden nur noch Textfetzen im Netz lesen, sich nicht mehr konzentrieren und hätten kein Interesse mehr an Büchern. Nach dieser Lektüre mache ich mir um den Autorennachwuchs keine Sorgen mehr. Klar: Twitter, Facebook, Wikipedia und Whatsapp spielen in ihren Geschichten sehr oft eine Rolle. Sie erzählen schließlich von der Gegenwart. Aber Talent ist Talent. Das kann das Netz nicht abschaffen. Und die Eckenroth-Stiftung tut das Gegenteil: Sie fördert es. Denn die Preisträgerinnen erhalten eine langfristige, oft jahrelange und kostenfreie Unterstützung beim Freilegen ihrer Talente mit intensiven Schreibtrainings im stiftungseigenen Schreibhaus sowie weiterer Bildung und Unterstützung. Vielleicht werden einige von ihnen in ein paar Jahren den Kurs des trägen Dampfers Literatur bestimmen. Mal sehen, welchen Kurs sie einschlagen und welche Ufer in Sicht kommen. Ich freu‘ mich drauf!

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